Bühne 74: Kleines Theater – große Bühne

von Martina Jansen

Bühne 74: Kleines Theater – große Bühne

Die Weihnachtszeit naht und das heißt für die Laienschauspieler der „Kleinen Bühne 74“: Üben, üben, üben!

Zwei Stücke probt die Theatergruppe pro Jahr: Im Sommer treten sie auf der Terrasse im Schloss Lembeck auf und jetzt, zu Weihnachten, im Forum der Gesamtschule. „Die Schöne und das Biest“ heißt das diesjährige Märchen. An fünf Aufführungen können die jungen und natürlich auch die älteren Zuschauer miterleben, ob der verzauberte Prinz am Ende noch erlöst wird.

Bisher blieb es bei einer Probe pro Woche, aber ab Anfang November wurde die Taktzahl erhöht, da dann auch noch zusätzlich die Kulissen bemalt und die Kostüme angepasst werden müssen. Aber wenn das Team schon mal so weit ist, dann liegt das Schlimmste schon hinter ihnen. „Der Entwurf und der Bau der Kulissen war das eine oder andere Mal schon eine ganz besondere Herausforderung“, erinnert sich Charly Gebhardt. „Ich weiß nicht mehr, wie lange wir getüftelt haben, bis wir im ‚Märchen vom Sterntaler‘ goldene Sterne vom Himmel regnen lassen konnten.“

Charly Gebhardt ist zusammen mit seiner Frau Angelika, sowie mit Gretel Kampert und Franz-Josef Buckstegge von Anfang an dabei. Von Anfang an bedeutet in diesem Fall: Seit genau 42 Jahren! Fünf Jahre  später fanden auch Dirk und Kirsten Schulte-Mattler den Weg in die Schauspielgruppe. 

Begonnen haben sieben Schauspielbegeisterte aus Wulfen und Barkenberg 1974 in einem Kurs, der von der VHS Dorsten angeboten wurde. Sie nannten sich damals „Barkenberger Laienspieler“. Nach einigen Jahren lösten sie sich von der VHS und nannten sich, weil auch Akteure aus anderen Stadtteilen dazu gekommen waren, „Kleine Bühne 74“.

Foto oben rechts: Peterchens Mondfahrt 2014

Während in den Anfangsjahren noch vier Stücke pro Jahr aufgeführt wurden, so sind es mittlerweile „nur“ noch zwei Aufführungen. 

Traten sie vor 20 Jahren auch in Dortmund, Essen, Haltern und Gladbeck in Schulen und KiTas, auf Festivals in Oberhausen oder auf dem Betriebsfest der Vestischen Straßenbahnen im Theater Marl auf, so bleiben sie heute innerhalb der Dorstener Stadtgrenzen. 

Spielten sie früher in Essener und Gelsenkirchener Gefängnissen, streng nach männlichen und weiblichen Insassen getrennt, so ist heutzutage das Publikum heutzutage selbstverständlich gemischt. Und es gibt nicht wenige Dorstener, die sich regelmäßig auf die Aufführungen freuen. Einige KiTas planen den Besuch der Märchenaufführungen schon fest in die Weihnachtszeit mit ein und auch Besucher von außerhalb legen ihre Besuche in Dorsten teilweise so, dass sie sich die Aufführungen ansehen können. 

Auf weit über 100 aufgeführte Stücke und damit um die 500 Aufführungen hat es die Gruppe bisher gebracht. Im Repertoire haben sie dabei Komödien, Krimis, Märchen und hin und wieder auch mal einen Schwank.

Ausgesucht hat sie alle Angelika Gebhardt. Unzählige Vorlagen diverser Autoren mit Rang und Namen hat sie dafür gelesen und im Vorfeld überlegt, welche Charaktere wohl für welche Schauspieler geeignet sind. Passt es nicht, dann sucht sie so lange weiter, bis Stück und Schauspieler absolut übereinstimmen. Die Quote liegt dabei auch schon mal bei 1:8. Ein immenser Aufwand, den fast niemand sieht.

Aber nicht nur die Mitspieler müssen zum Stück passen, auch die Aufführungen in Lembeck, die fast ausschließlich im 17. und 18. Jahrhundert spielen, müssen, wie die Kostüme auch, mit der Kulisse am Schloss harmonieren. 

Foto oben rechts: Der eingebildete Kranke 2015

Die Schauspieler suchen während der Vorstellungen durchaus den Kontakt zum Publikum und gehen auch auf Bemerkungen ein. So wurde ein Zuschauer, der eine Sektflasche öffnete, die niemand auf der Bühne sonst aufbekam, kurzerhand mit einbezogen. Aber auch ein Missgeschick, das nun mal während einer Livevorstellung passieren kann, wurde so hervorragend mit ins Stück eingebaut, dass es ein Bestandteil der nächsten Aufführungen wurde.
„Ein Schauspieler dachte, er wäre fertig mit seinem Auftritt und ging hinter die Bühne, um sich umzuziehen“, erinnert sich Charly Gebhardt. „Er musste jedoch noch einmal raus. Das tat er dann auch – in Unterhose! Sofort baute er jedoch die kleine Panne spontan und sehr geschickt in die Unterhaltung mit seinem Butler ein, der ihm eine neue Hose bringen sollte.“

Die neue Hose gehörte natürlich ebenso zum Fundus der „Kleinen Bühne 74“, wie die weiteren 180 Kostüme. Zum Glück können sie zusammen mit den Kulissen im Keller der GSW gelagert werden. Bei über 100 ausgewählten Werken kommt da schon eine Menge zusammen. Etwa 50 Kostüme hat Gretel Kampert selbst geschneidert, der Rest wurde zugekauft. Meistens in Opern-, selten in Schauspielhäusern. Charly Gebhardt erklärt, warum: „In Schauspielhäusern finden sich hauptsächlich junge und schlanke Personen, da werden wir im Opernhaus eher fündig. Wir suchen nun mal eher die großen Größen.“  

Bisher haben über 100 verschiedene Laienschauspieler in der Theatergruppe mitgespielt, momentan sind noch 18 Darsteller zwischen sieben und 75 Jahren aktiv. 

Charly Gebhardt, der bislang in etwa 65 Stücken eine Rolle innehatte, hält sich schauspielerisch in den letzten Jahren etwas zurück. Er kümmert sich jetzt mehr um die Werbung und den Internetauftritt der Schauspieltruppe.
„Früher konnte ich ja älter geschminkt werden“, erklärt er die Nachwuchssorgen der Gruppe, „aber einen Jüngling kann ich in meinem Alter schlecht spielen, das gibt selbst die beste Theaterschminke nicht mehr her“, so der „Theatersekretär“ schmunzelnd. Daher sind junge Männer, die die Theatergruppe vergrößern möchten, jederzeit herzlich willkommen.
Weitere Infos gibt es per Mail unter charly.gebhardt@gmail.com

Foto oben rechts: Die Schauspieler sind mit der heutigen Probe zufrieden

Text: Martina Jansen
Fotos: Martina Jansen, privat

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