Heute treffe ich Meryem Ebeling

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Heute treffe ich Meryem Ebeling

Eine Auswanderin auf Zeit

Heute treffe ich Meryem Ebeling auf eine etwas andere Art. Sie sitzt mir genau gegenüber und ist doch 6222 Kilometer entfernt. Die moderne Technik mittels Videochat macht es möglich. Und trotz der Entfernung spüre ich auch jetzt, dass sie ihr Herz auf der Zunge trägt.

Ihren festen Job als Sozialarbeiterin im Soziokulturellem Zentrum „Das LEO“ gab Meryem Ebeling auf und zog mit ihrem Mann nach Kanada. „Carsten bekam als Ingenieur von seiner Firma das Angebot, für 25 Monate in Kanada zu arbeiten, da haben wir zugegriffen“, erzählt sie. „So eine Möglichkeit bekommen wir nie wieder.“

Beide räumten ihr Haus in Hervest, verschifften ihre Möbel, lagerten Elektrogeräte ein, da sie in Kanada aufgrund der niedrigen Spannung nicht funktionieren, und ab ging es über den großen Teich. „Es war ein langer Tag“, erinnert sich die herzliche „Auswanderin“. „Drei Stunden vor Abflug standen wir auf dem Flughafen, der Flug dauerte etwas mehr als acht Stunden, drei lange Stunden dauerten dann noch die Einreiseformalitäten. Nach weiteren anderthalb Stunden Fahrt kamen wir dann endlich in Waterloo, südwestlich von Toronto, an.“

Bereits ein Jahr vorher flogen Meryem und Carsten Ebeling für vier Wochen nach Kanada, um sich in ihrem neuen Zuhause umzusehen. „Carsten arbeitete da bereits schon hier, ich nutzte die Zeit und besuchte einen Yogakurs um Kontakte zu knüpfen. “ Die sympathische 32-Jährige fährt fort: „Als wir dann ein Jahr später wiederkamen schloss ich mich mit unserem Mischlingshund „Punk“ der Hunderunde an, und besuchte einen Malkurs und nahm außerdem an einem ‚Conservations Circle‘ teil.“ In diesem Sprachkurs treffen sich Frauen aus der ganzen Welt und für Mery, wie sie genannt wird, ist es auch heute noch sehr spannend, zu erfahren, warum sie alle ihr Land verlassen haben.

Foto oben rechts: Meryem Ebeling genießt die Zeit in Kanada

„Ich bin freiwillig hier, habe weder finanzielle Probleme, noch muss ich mir Sorgen um meine Familie machen, dennoch ist es schwer, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache zurechtzukommen. Ich wurde hier jedoch sehr gut aufgenommen. Die Kanadier machen es mir mit ihrer Wertschätzung einfach, mich hier einzuleben. Sie sind nicht genervt, sondern wirklich interessiert an mir. Auch ich versuche, hier ganz viel zu lernen und das Beste aus zwei Kulturen für mich mitzunehmen.“

Gerade jetzt in ihrer Situation kann sich Meryem Ebeling in die Lage der Flüchtlinge versetzen. „Hier bin ich Ausländerin und mein Englisch ist nicht perfekt, aber wenn ich hier zusätzlich angefeindet werden würde, wäre ich nicht länger geblieben. Ich darf gar nicht daran denken, wie es den vielen Flüchtlingen weltweit in und mit völlig anderen Kulturen ergeht.“

Mery gibt zu, dass sie in den ersten Monaten in ihrer Heimat auf Zeit wieder so unsicher fühlte, wie damals mit 18, als sie von Zuhause auszog. „Hier ist so vieles anders als in meiner Heimat. In Deutschland suche ich mir meinen Arzt aus, hier muss ich mich bei einem Hausarzt online bewerben. Während die Deutschen Sicherheit bei ihrer Arbeit suchen, ist das hier nicht wichtig. Auch das Schulsystem unterscheidet sich erheblich von unserem, ebenso der Umgang mit der Adoption. Und ein absolutes Muss ist es hier in Kanada, sich bei privaten Besuchen seine Straßenschuhe auszuziehen.“

Foto oben rechts: Ein zufriedenes Trio: Meryem und Carsten Ebeling mit Mischling Punk

Dorstener Sozialarbeiterin kümmert sich zurzeit ehrenamtlich in einer Einrichtung um behinderte Kinder. Ein Ehrenamt bekleidet hier fast jeder Kanadier, das Arbeiten in der Gemeinschaft  oder in der Kirche ist für alle sehr wichtig. „Gerade bei meiner Arbeit fällt mir auf, dass hier nicht die Schwächen, sondern die Stärken der Menschen im Vordergrund stehen. Die Kinder in der Einrichtung sind nicht behindert, sondern sie benötigen besondere Hilfe, bei Schulkindern werden nicht ihre Defizite benotet, sondern ihre Stärken hervorgehoben“, bemerkt sie die Vorzüge dieses Systems.  

Mery tut die Arbeit im sozialen Bereich richtig gut und würde auch gerne, wenn sie und ihr Mann Anfang Oktober 2020 wieder nach Dorsten zurückkommen, weiterhin als Sozialarbeiterin arbeiten. Mit den Worten: „Ich vermisse das Leo, die Jugendlichen dort, die Kooperationspartner, besonders aber meine beiden früheren Kollegen Joshi und Dennis“, schickt Mery schon einmal vorab liebe Grüße an die zwei in ihre alte Heimat.

Meryem erweitert gerade ihren Abschluss „Bachelor“ und legt zwei Studienjahre zum „Master“ ein. Für sie war es eigentlich immer klar: “Ich werde Tierärztin!“ Zum Glück, wie sich später herausstellte, bekam sie keinen Studienplatz und erlernte stattdessen zunächst den Beruf der Tierarzthelferin, studierte dann jedoch nach ein paar Jahren „Soziale Arbeit“.
Ihr Traum wäre es, beide Berufe zu vereinen und eine tiergestützte Pädagogik auf einem Bauernhof anzubieten. Und wer weiß, vielleicht führt ja gerade Meryems „Umweg“ über Kanada zu ihrem großen Traum.

Foto oben rechts: Queen Mery

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

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