Ausgrenzung und Gewalt

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Ausgrenzung und Gewalt

Theaterpädagogische Workshops gegen Mobbing

Etwa jeder zehnte Schüler erlebt eine Form von Mobbing, wird von Gleichaltrigen drangsaliert und gedemütigt, besagen wissenschaftliche Studien. „Sobald Betroffene den Schulhof betreten, geht der Spott los: Du Loser, gefolgt von wüsten Beschimpfungen. Sie werden beiseite gestoßen, ihr Ranzen wird ausgekippt, das Mobiltelefon entwendet. Die Täter beleidigen sie in Chat-Gruppen und E-Mails, stellen demütigende Kommentare in sozialen Medien ein, streuen verletzende Gerüchte im Internet“, erklärt Hermann Twittenhoff, Leiter der Gesamtschule Wulfen ein Problem, mit dem alle Schulen zu kämpfen haben. Um die Folgen eines solchen Verhaltens aufzuzeigen und wie man Mobbing entgegenwirkt, hat die Kulturbeauftragte der Gesamtschule Wulfen, Katrin Block, für den gesamten 9. Jahrgang, das sind über 160 Schüler, theaterpädagogische Workshops ausgerichtet.
Diese Workshops thematisieren „Bullying and Mobbing“ für Schüler mit Methoden der Theaterpädagogik, das heißt, unter anderem spielen Schüler selbst unter Anleitung Mobbing-Situationen und Mobbing-Konstellationen. Mobbing und Bullying bedeuten das Gleiche, wobei „Bullying“ die in der Wissenschaft gebräuchlichere Bezeichnung für Mobbing in der Schule ist. Die Workshops wurden durch das Kulturamt der Stadt Dorsten finanziell unterstützt.
Dabei zeigt ein Schauspieler-Team in szenischen Angeboten die verschiedenen Formen dieses Problems auf und entwickelt mit den Schülern praktische Handlungs-Strategien für den Umgang damit. Es geht um Stimme, Körpersprache, Respektabstand und bewusste Signale, um gar nicht erst in die Opferrolle gedrängt zu werden. „Das Medium Theater ist in diesem Zusammenhang ganz besonders zur Prävention geeignet, da die Schüler beim Theater-Spielen authentisch handeln und nicht nur Regeln aufsagen, die schnell vergessen sind“, so Katrin Block.
Nicht immer sind die Betroffenen von vornherein Außenseiter. Es kann durchaus Jungen und Mädchen treffen, die Teil einer Clique sind und von einem bestimmten Zeitpunkt an immer weiter ins Abseits gedrängt werden. Auslöser kann eine Nichtigkeit sein, pubertäre Pickel, Ungeschick im Sportunterricht. Schon lacht ein Mitschüler, beginnt zu schikanieren. Ein weiterer schließt sich an. Nach und nach kommt eine Spirale der Ausgrenzung in Gang. Bis sich schließlich auch jene distanzieren, die dem Betroffenen einst nahestanden. Und die nun Angst davor haben, selber ausgeschlossen zu werden. Auf diese Weise werden selbst einem vormals vertraute Klassenkameraden zu Peinigern.
„Was Mobbing so tückisch macht: Die Übergriffe finden meist im Verborgenen statt – Eltern oder Lehrer bemerken oft lange nichts davon. Daher können die Täter ihre Opfer zuweilen über Wochen oder Monate drangsalieren. Hinzu kommt: Mehr und mehr verlagern sich die Attacken in die digitale Welt. Die Peiniger stellen ihre Opfer zum Beispiel durch Videos oder Nacktbilder auf dem Smartphone bloß, beleidigen sie in Chats oder in sozialen Netzwerken“, erklärt Marin Reuer, Sozialpädagoge an der Kulturschule Dorstens. Während das klassische Mobbing in der Schule oder auf dem Nachhauseweg stattfindet, sind Betroffene von Cybermobbing nicht einmal daheim sicher. Zudem ist die Hemmschwelle im Internet geringer, das Ausmaß der Beleidigungen häufig größer und die Täter können anonym bleiben.
Wer gemobbt wird, flüchtet oft in Einsamkeit und Isolation. Oder er tut so, als machten ihm die Attacken nichts aus, damit die anderen nicht merken, wie sehr er innerlich verletzt ist. Mehr noch: Häufig breitet sich bei Betroffenen das Gefühl aus, selbst an ihrem Martyrium schuld zu sein. Mit der Folge, dass die Jungen und Mädchen aus Scham verstummen und massiv an Selbstwertgefühl einbüßen. Groß ist die Befürchtung, die Situation könnte sich noch verschlimmern, wenn Eltern oder Lehrer von den Schikanen erfahren. Denn dann stünden die Betroffenen erst recht als Opfer da. Viele versuchen daher, ihre Qual zu verbergen. Manche reagieren auch zunehmend überempfindlich, verlieren etwa die Fähigkeit, zwischen tatsächlicher Attacke und alltäglichem Verhalten zu unterscheiden. Die Opfer erleben immer größeren Stress, nahezu alle haben permanent Angst vor dem nächsten Übergriff. Die Anspannung, in der sie leben, führt oft zu psychosomatischen Beschwerden, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit. Manche verletzen sich selbst oder denken gar an Selbstmord.
„Um aber Mobbing erst gar nicht aufkommen zu lassen, haben wir Präventionsprogramme entwickelt. Schon ein Kummerkasten und besondere Schülersprechstunden bei unseren Sozialpädagogen sind hilfreich. Als wirksam haben sich auch die Workshops unserer Theaterpädagogik erwiesen, an denen Schüler mit verschiedenen Trainingsaufgaben und Rollenspielen für das Problem sensibilisiert werden. Bei diesen Aktionen lernen sie, was jeder Einzelne tun kann, damit das Zusammenleben in der Klasse für alle erträglicher wird, wie man mit Beschimpfungen umgeht und warum Mobber nicht stark, sondern schwach sind (weil sie die Erniedrigung anderer brauchen, um Stärke zu empfinden)“, führt Katrin Block weiter aus. Ziel sei es, das Bewusstsein der Kinder und Jugendlichen für die fatalen Folgen von Mobbing zu schärfen. Und der Gruppe der Zuschauer ein Gefühl dafür zu geben, wie mächtig sie ist, bekräftigt Hermann Twittenhoff. Denn immer wieder zeige sich: Wenn erst einmal die Mehrheit der Mitschüler Partei für die Betroffenen ergreife, würden die Täter schnell erkennen, dass ihre Attacken nicht erwünscht seien. Dass sie sich durch ihr Verhalten selbst isolierten. So hätten sie binnen Kurzem keine Macht mehr über ihre Opfer.

Foto oben rechts: In szenischem Theaterspiel werden Schüler immer wieder mit neuen Mobbing-Situationen konfrontiert und lernen, wie sich richtig verhalten müssen

Text und Foto: Gesamtschule Wulfen

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